San Pedro de Atacama – Cafayate (2.12.-28.12.2019)

San Pedro de Atacama

Das Städtchen San Pedro de Atacama inmitten der Atacama Wüste gibt es wohl nur aus einem Grund – Tourismus. Das kleine, staubige Nest strotzt nur so mit Hostels und Hotels aller möglichen Qualitäten und jeder Menge Agenturen welche eine Vielzahl von Aktivitäten und Ausflügen anbieten. Egal ob es zu Geysiren, Lagunen, Vulkanen, Sternenhimmel, Mondlandschaften, Flamingos, heissen Quellen, Wasserfällen oder Salzseen geht, dem Urlaubstourist wird es in San Pedro auf keinen Fall langweilig. Wir hingegen waren mit einem bequemen Bett, einer freien Hängematte im Schatten, leckerem und abwechslungsreichem Essen und eisgekühlten Getränken mehr als glücklich, denn viele oder ähnliche Naturwunder haben wir in den vergangenen Tagen in allen Farben, Formen und Grössen vom Velosattel aus genossen. In San Pedro mussten wir etwas tiefer in die Reisekasse greifen, denn für das Geld wo es in Bolivien noch locker für ein Hotelbett gereicht hat, gibts hier gerade mal ein grosses Bier. Aber nach der Lagunenroute hatten wir uns etwas Komfort verdient. Nach und nach trudelten immer mehr Velofahrer, die meisten auch von der Casa Ciclista in Uyuni via Lagunenroute unterwegs, in San Pedro ein und so herrschte eine ausgelassene Stimmung mit viel wenig tun (ausser essen und schlafen, denn davon konnten wir nicht genug kriegen).
Nach ein paar Tagen habe ich dann doch noch eine der Attraktionen in der Umgebung besucht und radelte durch das eindrückliche Valle Luna, welches mit seinen schroffen Gesteinsformationen an eine Mondlandschaft erinnert. Nach einem kurzen Snack ging es dann Nachmittags direkt weiter Richtung Paso Sico und damit Argentinien. Klar, ich hätte auch einfach auf der chilenischen Seite der Anden weiter gegen Süden durch die Wüste radeln können. Aber wie noch so oft versprachen die etwas anstrengenderen Routen viel lohnenswerter zu sein. Und zudem wurde ich schon in Cafayate in Argentinien von meiner Schwester und Familie und der Familia meines Schwagers erwartet, also nix wie los zurück über die Anden nach Argentinien.

Paso Sico

Mit Essen für rund 5-6 Tage auf dem Velo gings volle Kanone rein in den Gegenwind, welcher gegen Nachmittag zuverlässig über die Wüste bläst. Irgendwo mitten in der Wüste läutete der Sonnenuntergang das Ende des Tages ein und ich stellte rasch das Zelt hinter einem kleinen Erdhügel, welcher etwas Sicht- und Windschutz bot, auf. Nicht ohne guten Grund sind eine Vielzahl der grossen Weltraumteleskope in den Bergen rund um die Atacamawüste aufgestellt. Denn die Region ist eine der trockensten der Welt und durch die extrem tiefe Luftfeuchtigkeit und die nicht vorhandene Lichtverschmutzung lassen sich die Sterne hier besonders gut beobachten. So stand auch ich vor dem Schlafengehen noch eine Weile rum und bestaunte den eindrücklichen Himmel bevor mich die einsetzende Kälte langsam aber sicher wieder mal mehr in den Schlafsack trieb.

Tags darauf war dann fertig mit flacher Wüste und es galt einmal mehr die Anden zu überqueren. Diesmal gings zwar nur noch auf 4558 Meter hoch, aber auch die mussten erst mal erklommen werden. Im letzten Dorf unterwegs gestaltete sich dann das Wasserauffüllen etwas schwieriger, denn das Dorf hatte gerade kein Wasser mehr. Und das schon seit einigen Tagen. Nach ein Bisschen hin und her wurde mir dann in einem Restaurant geholfen und ich konnte meinen Wassersack auffüllen und war gerüstet für die nächsten zwei Tage. Die Strecke war mir sofort sympathisch: Die chilenische Seite des Passes ist heute durchgehend asphaltiert und der starke, konstante Westwind machte das Velofahren zu einem Vergnügen. Nur gelegentlich wurde ich von einem der Tourbusse von San Pedro überholt und genoss eine ruhige Fahrt bis an die Abzweigung zur Lagune Miscanti. Berichten zu Folge lohnt sich der Abstecher zur Lagune sehr. Leider führt nur eine sandige Rüttelpiste zur Lagune hoch. Ich war aber gerade noch früh genug dran, um es zum Sonnenuntergang bis zur Lagune zu schaffen. So deponierte ich alles Gepäck hinter einem grossen Felsen und begann die mühselige Stecke zur Lagune hoch in Angriff zu nehmen. Schon nach wenigen Minuten kam mir ein Pickup entgegen und die Parkranger liessen mich nicht passieren, denn die Lagune war um diese Zeit «geschlossen». Alles stürmen und gut Zureden nützt nichts und ich wurde zurück bis vor die Barriere begleitet, wo ich dann zelten durfte. Ich vereinbarte aber mit den Rangern, dass sie mich dafür am nächsten Morgen früh mit dem Pickup bis nach oben mitnehmen würden.
Die Nacht verbrachte ich wiederum in einer unglaublich schönen Landschaft aus komisch aussehenden Gesteinsformationen irgendwo im Nirgendwo. Am nächsten Morgen liess ich es gemütlich angehen, denn so wie ich die Latinos mittlerweile kannte, würden die Ranger wohl eher verspätet als pünktlich eintreffen. Sie waren pünktlich, ich nicht. Jap, Chile ist ein Biiiiiiiisschen anders als der Rest von Lateinamerika. Man könnte schon fast versucht sein zu sagen, Chile und die Chilenen hätten etwas schweizerisches an sich 😉

Anyway, die Lagune fiel dann aus und ich radelte weiter gegen den Pass zu (es würden ja noch einige andere Lagungen kommen) und der Wind half mir als wäre er mein bester Freund und ich kam gut voran und obwohl es alles bergauf ging, schaffte ich über 100 km. Also schnell ging es bis zur Grenze, denn dort hörte der glatte, nagelneue Asphalt abrupt auf und Argentinien begrüsste mich (nebst dem wohl erbärmlichsten Willkommenschild der Welt) mit einer sandigen, steinigen, mühsamen Piste. Ich mochte Argentinien nicht so….

Doch bevor der Asphalt stoppte hatte ich noch DIE Chance. Die Chance, endlich mal über 100 km/h zu fahren. Vom Pass führt die Strasse schnurgerade und mit gutem Gefälle über mehrere Kilometer den Berg hinunter. Der kräftige Rückenwind beschleunigte mich im Nullkommanix auf über 70 km/h. Dann hielt ich doch mal noch kurz an um ein Foto zu machen. Und dann wollte ich endlich 100 km/h erreichen. Wieder beschleunigte das Gefährt innert kürzester Zeit auf über 80 km/h. Leider stand am Strassenrand eine Polizeistation. Und dort hats dann manchmal Polizisten die etwas von einem wollen. Oder so schlafende Polizisten (Speedbumps) quer über die Fahrbahn, welche bei dieser Geschwindigkeit zur sicheren Todesfalle würden. Oder ein dünnes, unsichtbares Schnüerli als «Schranke» über die Strasse gespannt. Ich sah aus der Distanz zwar nix, traute mich aber auch nicht voll durch zu brettern und bremste ab. Es wäre nix im Weg gewesen. Aber die 120 kg nochmals den steilen Berg, im Gegenwind hoch quälen? Ach, das lassen wir doch… Ja ich habs gelassen und jetzt bereue ichs ein Bisschen. Janu, dann stehen halt die 100 km/h in Zukunft nochmals auf der Liste. Aber es merke sich jeder der mal 100 km/h Velofahren will, der Sico ist ein guter Kandidat dafür 😉

Noch 10 Kilometer fehlten bis zur kombinierten Grenzstation der beiden Länder. Der Grenzübertritt ging rasch und nun fand ich Argentinien schon viel cooler, denn die Grenzstation bot eine kleine Wohnung mit Betten, Dusche, Küche und Wlan zum übernachten an – gratis und inbegriffen im Stempelprozedere – wie geil ist dass denn. Neben mir sind schon vier andere Velofahrer in der Wohnung. Zwei Amis, welche nur wissen wollen wie viele Kilometer ich denn heute gefahren wäre und sich dann in ihr Zimmer verziehen. Und zwei Argentinier mit welchen die Nacht bei einer importierten Zweiliterflasche chilenischen exportacion Wein noch lange nicht zum schlafen gehen vorgesehen war. Argentinien wurde mir immer wie sympathischer. Auch blieben die zwei die einzigen Argentinier welche ich getroffen hatte, welche chilenischen Wein tranken. Dies ist wirklich sehr selten.

Die Piste für die ersten Kilometer in Argentinien war ein ziemliche Müll, besonders nachdem ich mich so sehr an den chilenischen Asphalt gewöhnt hatte. Sandig, ruppig und steinig ging es langsam weiter gegen die Stadt Salta zu. Zu der schlechten Piste kam dann noch der unermüdliche Lastwagenverkehr einer Grossbaustelle dazu. Auch die Landschaft war nun nicht mehr so schön und spannend wie auf der chilenischen Seite sondern, naja, man könnte fast sagen eher langweilig.
Nach einer kalten Nacht zischen ein paar Hausruinen, geschützt vor dem fiesen Wind, erreichte ich dann das Städtchen San Antonio de los Cobres ohne grössere Mühe gegen Mittag. Eigentlich wollte ich nur kurz Geld wechseln, einkaufen und dann gleich weiterfahren. Naja, das mit dem Geld ist in Argentinien leider nicht mehr so einfach wie anderorts. Am Bankomat kann man nur wenig Bargeld auf einmal abheben und zudem bezahlt man jeweils einen Gringozuschlag von 10%!! Also keine gute Option. Und wegen der hohen Inflation in Argentinien lohnt es sich eigentlich auch nicht, jeweils grosse Mengen an Pesos zu besitzen, denn diese werden am nächsten Tag bestimmt schon wieder kräftig an Wert verloren haben. Ich versuchte also in dem Kaff jemanden zu finden, wo ich US Dollar in Pesos tauschen konnte. Angeblich seien US Dollars in Argentinien sehr beliebt. Wahrscheinlich in ganz Argentinien, ausser in San Antonio. Es war nicht einfach jemanden zu finden, der mir wechseln wollte. Zudem lernte ich was Siesta in Argentinien bedeutet: von 13 Uhr bis 17 Uhr läuft nix. Aber auch gaaaaar nix, einfach alles zu, die Strassen leer und nur ein verlorener Gringo mit seinem Velo irrt umher. So verstrich der ganze Nachmittag relativ rasch ohne viel Erfolgreiches erreicht zu haben und das Weiterfahren fiel schlussendlich ganz ins Wasser. Dann halt mañana.

Der nächste Morgen kam, ich fuhr weiter über das letzte kleine Pässchen und begann den rund 150 km langen Downhill nach Salta runter. Die ersten Kilometer waren super, es ging steil runter, die Strasse war wieder asphaltiert und ich raste mit angemessener Geschwindigkeit Richtung Salta und rechnete damit, die Stadt in nur wenigen Stunden zu erreichen. Die Freude hielt nur kurz, denn so wie mich der Wind auf der chilenischen Seite noch den Berg hoch geblasen hatte, so blies dieser nun auch auf der argentinischen Seite den Berg hoch und reduzierte meine Fahrgeschwindigkeit, trotz Abfahrt, auf klägliche 10 km/h. So strampelte ich nun wie ein Wilder auf einer Abfahrt in den kleinen Gängen gegen den fiesen Wind und fluchte ein Bisschen vor mich hin. Salta war wieder in weite Ferne gerückt. In einem kleinen Lädchen machte ich Halt und liess mich vom Señor über die Gewohnheiten des Windes hier aufklären und strample weiter gegen den fiesen Gegenwind.

Plötzlich sah ich im Augenwinkel zuhinterst in einem kleinen Seitental die farbigsten Felsformationen. Die Felsen schimmerten in grün, blau, rot und gelb. Ich war neugierig (und hatte eh die Schnauze voll von Wind), bog ab und wanderte zu Fuss in das Seitental hinein. Dort offenbarte sich eine der schönsten Berglandschaften überhaupt. Der ganze Talabschluss bestand aus diesen farbigen Felsen – perfekt zum zeltlen. Naja, vielleicht perfekt von der Aussicht her, aber die Spuren am Boden zeigten, dass das Risiko von Sturzfluten hier wohl erheblich war. Ich stellte das Zelt so «sicher» wie möglich auf und plante schon mal einen Fluchtweg falls es dann wild werden sollte. Es regnete schlussendlich nicht.

Das Mandli im Laden hatte mir erklärt, dass der Wind früh Morgens eher schwach sei und sobald ich den Talausgang erreichen würde wäre es eh windstill. Also gings früh los. Das Fahren machte nun wieder viel mehr Spass und der Talausgang, üppig gründe Landschaften und die erste grössere Ortschaft in Argentinien waren schnell erreicht. Argentinien erinnerte mich hier stark an Mexiko: überall herrschte reges Treiben, aus den Lautsprechern am Strassenrand schepperte fröhliche Musik wild durcheinander und wurde ab und an von verhältnismässigem Gehupe und Hundegebell ergänzt. Und dann gabs erstmals Empanadas. 12 Stück ist so die Normmenge in Argentinien – perfekt für hungrige Velofahrer. Und eigentlich sind auch 12 noch lange nicht genug, denn die Dinger sind soooooooooooo guuuuuuuuut! Mir gefiels in Argentinien.

Salta und Cafayate

In Salta blieb ich ein paar Tage, schaute mir die Stadt an und fütterte mich regelmässig mit Empanadas. Irgendwann gings dann wieder ein Bisschen weiter gegen Cafayate zu. Das Städtchen liegt inmitten unzähliger Weinbergen und zieht Touristen von überall her an, um es sich bei einer Weindegustation gut gehen zu lassen. Ich liess es mir auch gut gehen, denn die Familie meines Schwagers wohnt in Cafayate und meine Schwester machte gerade Urlaub in Cafayate. Kaum angekommen ging es gleich los mit einem Wilkommens-Asado. Auch Aymara war nun mit von der Partie. Sie kam gerade am selben Tag zur Welt als ich im Flieger Richtung Alaska sass. Wir kannten uns bis jetzt nur von Fotos und Videos. Aber wieso sie mich Tio loco (verrückter Onkel) nennt, ist mir bis heute schleierhaft.
Asado, Vino, Empanadas und Siestas bestimmten den Tagesablauf in Cafayate weitgehend. Praktisch jeden Abend fand irgendwo ein Fest statt. Also eigentlich nicht am Abend, sondern irgendwann dann so gegen Mitternacht. Ich stellte schnell auf vier Hauptmahlzeiten am Tag um, denn jeden Tag bis um Mitternacht warten mit Abendessen, das ging nun wirklich nicht gut. Auch Adriana und Oscar kamen von Bolivien zu Besuch und damit war es nun endgültig vorbei mit früh zu Bett gehen. An Weihnachten stieg die grosse Party dann erst recht. Auch wurde fleissig versucht mich mit einer der vielen Cousinen zu verkuppeln, geklappt hats dann doch nicht ganz. Wie auch, ich kannte ja noch nicht einmal alle Cousinen, denn die Verwandtschaft war noch bis nach Mendoza und Buenos Aires verstreut – aber nach Buenos Aires und Mendoza will ich ja eh auch noch. Die Weihnachtsfeier verlief so wie man sich das in Argentinien etwa vorstellt: Alles begann unendlich spät, mit der gesamten Verwandtschaft von Nah und Fern (ich wusste gar nicht, dass man so viele Verwandte haben kann), mit viel Fleisch, Wein, Musik und Tanz. So gegen 5 Uhr verabschiedete ich mich dann mal um ein paar Stunden zu schlafen, viele der Gäste dachten um diese Zeit aber noch lange nicht ans Bett. Am nächsten Morgen, also besser gesagt so gegen Mittag, wurden die Lautsprecher wieder eingesteckt, die Musik begann wieder und die Küche nam den Betrieb wieder auf und die Party startete von neuem – bienvenidos a Argentina.

Salta

Ja in Cafayate herrschte eine wunderbare Ferienstimmung und hätte ich nicht eigentlich nach Ushuaia fahren wollen, wäre ich wohl noch immer dort. Nei, es wurde dann schon irgendwann mal Zeit, mich etwas zu bewegen aber mehr dazu dann im nächsten Beitrag.

Und nun kommen wir endlich zur Quizfrage: Wie viel Gewicht kann man in 2 Wochen Argentinien zulegen?

6 thoughts on “San Pedro de Atacama – Cafayate (2.12.-28.12.2019)”

  1. Hey Chris, wonderful story of your adventure! The photo of the mountains at the top is one of the most beautiful I’ve ever seen. I laughed about your comment of the Chileans having a little Swiss in them. Glad you were able to spend time with your family, so cool. Thanks for writing this up.

    *My guess is you gained about 4 kg from the empanadas and barbeque*

    1. Hi Dan
      Thanks. Yes it was really a nice, unexpected surprise those colourful mountains. But lets wait until they discover it as a tourist attraction….
      All the best, Chris

  2. hey Chris what a great adventure, thank you for sharing and it was for us a great time to be chrismas eve with the road family the time together will be allways be in our hearths love you adri oscar.

  3. Hallo Chris!
    Ich habe mal in Cafayate beim Schlachter 1 m Würstchen gekauft, und wurde dann gefragt, ob
    ich Vegetarier sei…
    Nun kommst du ja in die wunderbare Weinbauregion mit all den leckeren Mendoza-Weinen.
    Viel Spaß und gute Gesundheit weiterhin!
    Grüsse aus Deutschland

    Karsten

    1. Hallo Karsten
      haha, ja das glaub ich dir sofort 🙂
      Jup, der nächste Bericht sollte bald online sein.
      Beste Grüsse Christian

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