Mit trockenem Material fuhren wir also weiter gegen Süden. Die Wettervorhersage war nicht unbedingt verlockend aber wir wollten nicht länger Zeit vertrödeln und endlich in Utah ankommen.
Auf angenehmen Velowegen fuhren wir aus der Stadt. Unsere Gastgeberin Holly begleitete uns dabei. Sie war die Ingenieurin, die diese Wege vor Jahren geplant hatte Kurz nachdem wir uns von ihr verabschiedet hatten, überholte uns der Sheriff. Einige Meter vor uns hielt er auch gleich an. «Was wott dä de?», fragten wir uns. Er wollte nur ein bisschen gsprächle und wünschte uns weiterhin gute Fahrt.
Nach rund zwanzig Kilometern mussten wir entscheiden, welche Strecke wir fahren wollten. Christian hatte sich während den letzten Tagen intensiv mit der Routenplanung auseinandergesetzt (ich musste neue Schuhe kaufen!). Wir entschieden uns für die abgelegenere Strecke im Osten Wyomings. An der Kreuzung angekommen, diskutierten wir erneut, ob das nun die richtige Wahl sei. Die Entscheidung wurde erschwert, da die östliche Strasse bergauf und die westliche natürlich bergab führte. Dennoch entschieden wir uns für Osten. Mein Tourenapp zeigt mir jeweils das Höhenprofil für die geplante Strecke an, auf den nächsten fünfzig Kilometern erwarteten uns noch rund 1000 Höhenmeter. Mit diesem Höhenprofil im Hinterkopf fuhren wir also los. Es dauerte nicht lange, bis ein leichtes Nieseln begann. Die Landschaft aber war beeindruckend: die kaum befahrene Strasse führte in eine Schlucht, der Wald war wunderschön verfärbt und die Felsen strahlten in den unterschiedlichsten Rottönen. Nach weiteren zehn Kilometern wartete Christian am Strassenrand auf mich. Schon von weitem sah ich sein typisches Kratzen am Bart, welches zeigt, dass er mit einer Entscheidung kämpft. Er befürchtete, dass wir in den nächsten Tagen gegen starken Wind fahren würden. Ein weiteres Mal haderten wir also mit der Entscheidung. Ich hatte keine Lust umzukehren, darum fuhren wir weiter auf unserer gewählten Route. Vielleicht wäre dies der Punkt gewesen, an dem ich das Höhenprofil hätte erwähnen sollen. Christian hatte nicht realisiert, auf welche Höhe wir noch fahren mussten. Und ich habe nicht überlegt, wie schlecht das Wetter wirklich werden könnte. Und ja, es kam wie es kommen musste: Schneesturm! Mit dem Wind kam auch der Schnee einmal mehr von allen Seiten. Etwa acht Kilometer vor der Passhöhe begann auch noch eine Baustelle – auf der weiteren Strecke war der Strassenbelag aufgerauht. Immerhin wurde es so nicht allzu glatt, das ewige Vibrieren des Lenkers und damit meiner Finger schätze ich aber nicht gerade. Auf der Passhöhe angekommen, fuhren wir an eine Tankstelle. Hier tranken wir fast einen Liter heisse Schoggi (aus dem Automat) um uns wieder aufzuwärmen. Nach weiteren zehn Kilometern erreichten wir endlich unseren Campingplatz – mittlerweile hatte es rund zehn Centimeter Schnee und war auch schon fast dunkel. Wir waren die einzigen Gäste auf dem Campingplatz und die Campinghosts liessen uns im Materialschopf übernachten. Wir waren sehr froh, irgendwann endlich in den warmen Schlafsäcken zu liegen. Zum Zmorge wurden wir dann sogar in ihren warmen Camper eingeladen – das steigerte meine Laune ungemein! Nach dem Zmorge ging es dann nur bergab, damit waren wir auch irgendwann aus dem Schnee.
Pronghorn Antilopen im Schnee
Christian im Schnee
Pony Express durch die Prärie
An diesem Tag legten wir mit 130 Kilometern wieder mal eine Monsteretappe hin. Nun fuhren wir durch die Prärie. Unterwegs kreuzten wir die Strecke des Pony Express. Auf diesem Weg wurde vor knapp hundertfünfzig Jahren die Post zwischen Osten und Westen befördert. Auf dem Bild sieht man sogar noch die alte Wagenspur – das Klappern der Planwagen kann man sich dabei vorstellen.
Wild wild horses – we’ll ride them some day
Wir fuhren also weiter gegen Süden bis wir irgendwann an ein Schild kamen, das den Weg zum Wild Horse Scenic Drive zeigte. Spontan entschieden wir uns für diese Abzweigung. Und es dauerte nur eine knappe halbe Stunde und wir sahen die ersten Pferde. Ein Schild erklärte, dass es sich tatsächlich um wilde Pferde handelt. Das Büro für Landmanagement hat für diese Pferde ein Gebiet ausgeschieden und reguliert die Herde auf eine tragbare Grösse (je nach Quelle zwischen 100 bis 1000 Tieren). Wir legten natürlich unzählige Fotopausen ein. Die Route führte entlang einer Felsklippe durch eine Hochebene. Immer wieder hatten wir Aussicht auf die Städte, Eisenbahn und den Highway unten im Tal. Für eine Nacht stellten wir unser Zelt irgendwo in dieser Prärie auf. Das erste Mal merkten wir nun, wie schnell es mit dem Eindunkeln kalt wird. Kaum hatten wir unser Reis-Linsen-Gericht verspeist, schlüpften wir auch schon in die Schlafsäcke da es für alles ausserhalb des Zeltes einfach zu kalt gewesen wäre. Auch am Morgen war es draussen ohne Sonne einfach viel zu unangenehm. Mit den ersten Sonnenstrahlen krochen wir also aus dem Zelt und beeilten uns, auf unsere Velos zu kommen, um uns aufzuwärmen.
Zeltplatz Sheep Creek Canyon
Eine weitere Tagesetappe und schon erreichten wir Utah. Es war wirklich so, wie ich es mir vorgestellt hatte! Felsen, Felsen, Schluchten, Wüste, schöne Farben und oh wenn ich nur meine Kletterausrüstung dabei gehabt hätte! Uns erwartete am ersten Tag in Utah erneut ein Pass. Der Aufstieg war angenehm zu bewältigen. Auf der Passhöhe wurden wir mit einem Schild gewarnt, dass nun 9 Haarnadelkurven folgen würden 🙂 Christian überholte sogar mehrere Lastwagen!
Herbstfarben
Willkommen in Utah
Wir erreichten die erste erwähnenswerte Stadt in Utah: Vernal. Dort gab es genau eine warmshower-Gastgeberin und sie konnte uns aufnehmen. Da es so angenehm war, wieder in einem Bett zu schlafen, blieben wir gleich zwei Nächte. Das Highlight dieses Aufenthalts war die Homecoming Parade der Schule. Alle verschiedenen Clubs der Schule hatten ein Gefährt geschmückt und fuhren damit durch die Hauptstrasse. Wir sahen den Theaterclub, die Volleyspieler, den Baseballclub, den Landwirtschaftsverband, die Einradsynchronfahrerinnen, jeweils Vertreter aller Klassen und viele mehr. Ich war etwas empört über zwei Jungs, die Lose verkauften, damit man eine Waffe gewinnen konnte. Wir kauften kein Los!
Entlang des Colorado
Kurz vor Moab
Frisch ausgeruht ging es weiter. Wir legten nun während drei Tagen jeweils hundert Kilometer zurück. Die Gegend im nördlichen Utah war relativ menschenleer. Das Velofahren war geprägt von Hügeln, Prärie, häufigen Wetterwechseln, etwas Gegenwind und dem Gefühl nun wirklich im Wilden Westen angekommen zu sein. Wir fuhren sogar noch einige Meilen durch den Staat Colorado. Somit hatten wir in den USA damit Alaska, Montana, Wyoming, Colorado, Utah und aktuell Arizona besucht.
Die letzte Etappe vor Moab war ein Highlight! Die Strasse führte entlang des Colorado Fluss durch eine imposante Schlucht. Links und rechts der Strasse und dem Floss ragten die roten Felsen in die Höhe. Immer wieder stoppten wir, um Fotos zu machen. Endlich war auch das Wetter wieder schön und wir fuhren kurzärmlig bis nach Moab. In Moab waren wir mit meinem Bruder Markus verabredet. Er war während einem Monat mit Mietauto und Mountainbike in den USA unterwegs.
Arches National Park
Arches National Park mit meh Felse
In Moab landeten wir in einer anderen Welt. Dort ist das Mountainbike Fieber ausgebrochen. Auf fast jedem Auto sind auf alle erdenkliche Art und Weise Bikes befestigt. Es gibt unzählige Läden, in denen man Bikes mieten kann. Genau das machten wir natürlich auch! Mit den vollgefederten Bikes hatten wir natürlich doppelt Spass! Am ersten Tag erledigten Slickrock Trail. Man fährt dabei die ganze Strecke auf nacktem Fels – etwas Neues für uns. Es war immer wieder ziemlich anstrengend, da man mit den breiten Reifen extrem steile Passagen fahren konnte/sollte und dabei wegen der grossen Reibung die Haftung nie verlor. (Wir waren etwas zu faul und haben immer mal wieder gestossen- zzz!)
Pic Nic mit Markus und Mättu entlang des «Magnificent 7» Trail
Am zweiten Biketag wollten wir eigentlich den berühmten Whole Enchilada Trail fahren. Neben dem Slickrock Trail ist dieser Trail ein Muss für alle Moab-Biker. Es wird allerdings vor ausgesetzten Stellen gewarnt, zudem brauche man für den Trail mindestens acht Stunden. Bis wir uns entschieden hatten, dass dieser Trail wirklich das richtige für uns ist, waren die Shuttles natürlich ausgebucht. (In Moab macht man wirklich am besten Gebrauch vom Angebot der Shuttles, ansonsten verlängern sich die Aufstiege um Stunden.)
Wir entschieden uns dann für den nächst besten Trail – eben Magnificent 7. Das war eine gute Wahl! Gleichzeitig fand auf der Strecke auch noch ein Biketest des Outerbike Festival statt, deshalb wurde der Trail von mehreren hundert Bikern befahren. Es gab so immerhin viel zu staunen und lachen und wir genossen den Tag auf dem Bike sehr!
Sowieso liessen wir es uns gut gehen in Moab. Brauereibesuche, Restaurants, Bikemiete, Shuttle, Luxuscamping – hier wurden wir unser Geld los!
Arches National Park – Christian aka «Ranger Kari» im berühmten Triumphbogen
Wir besuchten natürlich auch den berühmten Arches National Park. Unzählige Felsbögen oder Brücken zieren die Landschaft. Auf den Fotos erkennt man, wieso der Park so viele Besucher anzieht!
Wir entschieden uns, alle zusammen mit dem Auto weiter zu fahren. Es war abgemacht, dass Markus und ich einige Tage zusammen fahren. Auch Christian wollte von den einfach absolvierten Kilometern profitieren und kam daher die erste Etappe mit. Die Herausforderung war natürlich, die drei Velos und das gesamte Gepäck im Auto zu verstauen. Mein Velo wurde ziemlich demontiert, die Taschen etliche Male rein und raus bugsiert, immer wieder fluchte jemand und trotzdem war irgendwann alles verpackt! Wir fuhren zuerst durch ziemlich langweilige Wüstenlandschaft und erreichten dann die Region in Utah, wo sich Nationalpark an Nationalpark reiht. Wir befanden uns hier auf einer Höhe von knapp 3000 Metern. Von einer Waldgrenze war weit und breit nichts zu sehen. Wir fuhren durch wunderschönen Herbstwald (Bild unten) – eine perfekte Sonntagsfahrt! In Escalante angekommen, ergatterten wir mit viel Glück eines der letzten Motelzimmer – an Camping war nicht zu denken, denn wir wollten das mühsam verstaute Gepäck nicht ausladen. Christian entschied sich, am nächsten Tag wieder zu pedalen und deshalb beendeten wir in Escalante unsere Reise zu dritt.