Nach einer längeren Pause in Flagstaff waren nun meine Ausrüstung, das Rad und ich ready für die Weiterfahrt Richtung Mexiko. Von Flagstaff ging es erst mal viele Tiefenmeter runter durch das Oak Creek Valley Richtung Sedona. Die geplante Pause mit einer Wanderung liess ich dann aber spontan aus und es ging direkt weiter Richtung Cottonwood wo ich die Nacht bei den veloangefressenen Warmshowers Hosts Peter und Geni verbrachte. Gestärkt mit einem guten Frühstück gings dann am nächsten Morgen los die zweitletzte grosse Bergkette zu überwinden. Die schmale, kurvige Strasse führt hinauf in das ehemalige Minendorf Jerome, welches bei meiner Ankunft schon von allen erdenklichen Touristen belagert wurde. Also nix wie weiter über den Pass und runter nach Prescott. Wegen mangelnder Routenplanung fuhr ich dann schlussendlich in der Rush hour auf dem sechsspurigen Highway meinem Tagesziel entgegen und natürlich fuhr ich mir dann auch prompt noch den zweiten Platten der Reise ein. Zum Glück war ich gerade bei einer Feuerwehrstation und konnte dort den Platten sehr effizient mit Hilfe deren Pressluftanschluss flicken. Die nächsten Tage verliefen relativ ereignislos und ich erreichte nach langen, einsamen Wüstenstrecken die Grenze zu Kalifornien. Auf einen Schlag hat sich nun das Landschaftsbild total verändert. Es war zwar immer noch alles Wüste, aber die war nun nicht mehr «leer». Nun reihten sich plötzlich RV Park an PV Park. Auch schossen nun Shops fuer RV Parts, RV Sales und RV Rentals überall aus dem Boden. Denn offenbar war diese Ecke von Arizona bei den sogenannten Snowbirds sehr beliebt. Die Snowbirds leben während den Sommermonaten irgendwo in Amerika und pilgern dann im Herbst gegen Süden um den Winter hier im günstigen und warmen Sueden der USA zu verbringen.
Über den Colorado River gings dann endlich nach Kailfornien und ich erreichte gegen Abend den Grenzort Blythe. Hier gab es einen unter Radreisenden sehr bekannten Bait Shop. Die Besitzer des Ladens liessen Radler auf dem Grundstück kostenlos ihr Zelt aufschlagen. Also mache ich mich auf, diesen Shop zu suchen. Die Besitzer waren leider gerade nicht da, aber dafür hatten sich bei meiner Ankunft bereits einige interessante Personen beim Shop versammelt. Kaum vom Velo abgestiegen hatte ich auch schon ein kühles Tecate Light in der Hand. Es stellte sich heraus, dass der Bait Shop nicht nur Angelköder verkauft und Biker beherbergt, sondern auch DER Treffpunkt war in Blythe. So trudelten auch nach und nach immer mehr Leute ein und es wurde ein fröhlicher Abend mit viel Bier, Baseball und spannenden Gesprächen über Fischen, Jagen und den überaus erfolgreichen und tollen Präsidenten. Dies war dann auch irgendwie das erste mal dass ich wirklich in Kontakt kam mit pro-Trump Leuten kam und es war erstaunlich mit welchen Argumenten sie mir erklärten wieso dies ein sehr guter Präsident sei. Auch wenn wir in vieler Hinsicht nicht gleicher Meinung waren, so gehörten diese Truppe doch zu den nettesten und lustigsten Leuten welche ich in Amerika getroffen habe.

B&B Bait Shop in Blythe CA
Von Blythe sollte meine Route nun ziemlich direkt gegen Mexiko gehen, welches ich dann in rund 3 Tagen erreichen sollte. Doch es kam anders. Statt direkt gegen Süden zu fahren entschied ich mich für die lärmige Interstate I10 gegen Westen um dann erst am nächsten Tag gegen Süden Richtung Grenze zu fahren. Doch über Nacht änderte sich meine Meinung plötzlich und statt gegen Süden fuhr ich nun gegen Norden. Denn dort lag der wunderschöne Joshua Tree Nationalpark. Die erste Hälfte des Parks befindet sich in der Colorado Wüste. Diese war geprägt durch Kargheit, einige Büsche, braun-graue Berge und Teddy-Bear Kakteen. Ueber einen Anstieg von einigen Kilometern ging die Colorado Wueste über in die Mojave Wueste. Hier nun ein komplett anderes Bild. Diese Wüste war geprägt von tausenden Joshua Trees und riesigen, kugelähnlichen Gesteinsformationen, welche Kletterer aus ganz Amerika anzogen. Per Zufall traf ich hier wieder auf die Radler Frank und Jacinta, welchen ich schon am Grand Canyon begegnet war. Spontan campten wir zusammen in mitten von Glacekugelsteinen und Joshua Trees.

Good Night from Joshua Tree NP
Nach vielen Tagen ohne grosse Hektik und Komplikationen war es nun wieder mal Zeit fuer einen spanneden Tag. Da ich in Palm Desert ein Bett zum uebernachten hatte, musste ich nun an einem Tag 140km zuruecklegen. Also sass ich schon um 7 Uhr auf dem Sattel und machte mich auf den Weg aus dem Park Richtung Yucca Valley. Dort angekommen, warf ich einen kurzen Blick auf die Karte und siehe da – eine Abkuerzung! Perfekt dachte ich, so spare ich mir rund 10 km. Statt dem Highway um die Berge zu folgen setzte ich nun meine Reise fort, gerade auf die Bergkette zu. Ich war mir bewusst, dass die ersten 10 km der Abkuerzung nur ein Pfad sein werden. Danach war aber auf der Karte eine Strasse eingezeichnet. Der Pfad stellte sich dann als sehr sandigen ATV Trail heraus. Also blieb mir nichts anders uebrig, als das Rad erst mal fuer eine Stunde muehsam den Berg hoch zu schieben. Oben angekommen sah ich dann auch die bevorstehende Abfahrt. Eine wunderbar hartgepresste Unterhaltspiste. Also nix wie los in den Spass. Ueber steile, ruppige und Serpentinen ging es nun wieder Richtung Highway. Leider war das Vergnuegen nur von kurzer Dauer. Denn schon nach kurzer Zeit wandelte sich die Piste nicht etwa in die erhoffte Strasse, sondern wurde zunehmend sandiger und sandiger bis an fahren nicht mehr zu denken war. So musste ich dann gezwungenermassen das Rad nun halt auch noch den Berg runter muehsam durch den Sand schieben. Nach gut 3 Stunden, ohne Wasser und Essen erreichte ich dann endlich den Talboden. Und ich kam zum Schluss, dass sich diese Abkuerzung wohl nicht gelohnt hat… Nun wurde es auch langsam daemmerig und noch immer standen rund 50 km vor mir. Gestaerkt mit 2 Liter Cola machte ich mich also auf Richtung meinem Ziel in Palm Desert. Nach so langer Zeit in der Wueste war ich mir Verkehr, Lichtsignale und Stoppschilder nicht mehr sonderlich gewohnt. Auch war es mittlerweile Stockdunkel und ich manoevrierte meinen Goeppel nur langsam Richtung Palm Desert. Nach weiteren 2 Stunden radeln im Feierabendverkehr durch die Stadt klingelte ich dann endlich doch an der Tuer von Bruce, meinem Gestgeber. Palm Desert besteht fast ausschliesslich aus Residenzanlagen und Golfplaetzen wo ebenfalls viele Leute ueberwintern. Und so kam waehrend meinem dreitaegigen Aufenthalt in Palm Desert mit Pool, Hotpot, Wandern und Golfplatz schon ein Bisschen Ferienstimmung auf.

Hier sah die Abfahrt noch vielversprechend aus….
Da ich Slot Canyons sehr toll finde, hat mir dan Bruce auch gleich empfohlen nicht direkt gegen Mexiko weiter zu fahren, sondern einen Abstecher zu den Slot Canyons bei Mecca zu machen. Und so passte ich meine Route ein weiteres mal an und besuchte auch noch diese Canyons. Direkt beim Canyon schlug ich dann auch mein Camp fuer die Nacht auf und lernte Jimena, Kyle und Georgie kennen, welche mit dem Camper auch gegen Mexiko unterwegs waren. Diese meinten, Slap City sei einen Besuch wert und so aenderte ich meine Route ein weiteres mal.

Camp am Eingang zum Canyon
Slap City oder «the Slaps» ist angeblich der letzte freie, gesetzlose Ort in Kalifornien. Ohne Strom, Abfallentsorgung und Wasser/Abwasser leben hier rund 150 Personen ganzjaehrig umd tun und lassen wie, wann und wo sie wollen. Auch hier steigt die «Einwohnerzahl» in den Wintermonaten dann auf ueber 2000 Personen an, welche dort ueberwintern, campen, leben, kuenstlern und feiern. Ja, Slap City war wirklich einen Besuch wert. Hier gab es unzaehlige Kunstobjekte zu bestaunen, wobei ich fand dass man die meisten hier anzutreffenden Leute auch schon fast als Kunstobjekte bezeichnen kann. Da ich gerade am Samstag da war, kam ich auch noch in den Genuss der Open Mic Night wo lokale Musiker ihr Talent preisgaben. Zudem hatte wohl jeder Bewohner der Stadt mindestens einen Hund der irgendwo rum rannte. Und so wurde es dann auch relativ spannend als ich versucht habe dort einen Hamburger zu essen 🙂
Nun sitze ich in Labans Jurte im kleinen Ort Julian, schreibe diesen Eintrag und morgen gehts dann wohl endlich nach Mexiko.

Labans Jurte in Julian

geplante (gruen) vs gefahrene Route (blau). Meistens lohnt es sich spontan zu sein…